"Unternehmertum macht zufrieden und ist gut für den Menschen."
Welche Potenziale, Herausforderungen und Lösungsansätze bestehen, um die Selbständigkeit im Handwerk nachhaltig zu stärken? Diesen Fragen sind alle DHI-Institute im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts nachgegangen. Dessen Ergebnisse wurden unter der Moderation von Patrick Neumann vom Handwerk Magazin im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung am 06. Juli 2022 in München präsentiert und mit den mehr als 90 Teilnehmenden diskutiert.
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Grußwort von Generalsekretär Holger Schwannecke
Foto: ZDH
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Moderation der Tagung durch Patrick Neumann vom Handwerk Magazin
Foto: ZDH
Nach dem Grußwort von Generalsekretär Holger Schwannecke gab Dr. Markus Glasl vom federführenden LFI München einen Überblick über das Gemeinschaftsprojekt. Ausgangspunkt seiner Darstellungen war die im internationalen Vergleich sehr niedrige Gründungsquote in Deutschland. Es sei notwendig, durch positive Bilder in den Medien mehr Interessenten für eine Nachfolge im Handwerk zu gewinnen, und neue Zielgruppen zu erschließen.
Prof. Kilian Bizer vom ifh Göttingen stellte empirische Erkenntnisse rund um das Gründungsgeschehen und die drohende Nachfolgelücke im Handwerk vor. Für ihn ist die höhere Bestandsfestigkeit handwerklicher Jungunternehmen im Vergleich zur Gesamtwirtschaft ein wesentliches Argument für eine Gründung oder Betriebsübernahme. Diese höhere Resilienz müsse kommuniziert werden, da Angst vor dem Scheitern einer der wichtigsten Gründe für eine Entscheidung gegen eine Selbständigkeit sei.
Prof. Birgit Ester vom itb Karlsruhe konzentrierte sich in ihrem Beitrag auf die Selbständigkeit von Frauen. Das große Potenzial in dieser Bevölkerungsgruppe müsse durch gezielte Förderung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehoben werden. Gleichzeitig biete die Selbständigkeit ein großes Maß an zeitlicher Flexibilität für berufliche wie auch private Herausforderungen. Dieser Vorteil müsse imageverbessernd genutzt werden.
Zugeschaltet per Video referierte Prof. Klaus-Dieter Drüen von der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu steuerrechtlichen Möglichkeiten zur Förderung von Existenzgründungen. Als nachahmenswert bezeichnet er den partnerschaftlichen Umgang der Finanzbehörden mit den neuen Steuerpflichtigen in Österreich und den Niederlanden. Ausführliche Informationen zu Beginn der Geschäftstätigkeit und eine laufende Begleitung könnten nicht nur Entrichtungs- oder Befolgungskosten als "Steuer neben der Steuer" vermeiden, sondern auch Sanktionen bei späteren Prüfungen vorbeugen.
Internationale Studien belegen die vergleichsweise hohe bürokratische Belastung in Deutschland. Gleichzeitig gibt es keine empirische Evidenz dafür, dass Existenzgründungen an diesem Aufwand scheitern. Laut Prof. Martin Burgi vom LFI werden die durchaus erfolgreichen Bemühungen zum Bürokratieabbau jedoch regelmäßig durch neue Berichts- und Dokumentationspflichten konterkariert. Unter Verweis auf die derzeit intensiv diskutierte Berichterstattung zur Nachhaltigkeit von Unternehmen regte er an, für Kleinbetriebe auf aufwändige Zertifizierungen zu verzichten und stattdessen auf Eigenerklärungen zu setzen, die sich beispielsweise im Vergabewesen bereits bewährt hätten.
Einen ganz wesentlichen Beitrag zur Förderung der Selbständigkeit leisten die Beratungsstrukturen im Handwerk. Markus Klemmt vom HPI verdeutlicht, dass es den Organisationen des Handwerks durch ihr vielfältiges Angebot und die Bündelung der Serviceleistungen in Starter Centern gelingt, Betriebsübergaben und Existenzgründungen zu unterstützen. Im Hinblick auf die mangelnde Bekanntheit vieler Angebote unter zunächst handwerksfernen Gründern empfiehlt Klemmt auch diesbezüglich eine noch intensivere Öffentlichkeitsarbeit.
Prof. Detlef Buschfeld vom FBH Köln berichtete, dass sich unter den Meisterschülern neben den "frühen Entscheidern" mit einer konkreten Gründungabsicht zwei weitere Gruppen von potenziellen Unternehmensnachfolgern und Gründern identifizieren ließen: die Unentschlossenen und die Unsicheren. Besonders wichtig sei, diese Absolventen in regelmäßigen Abständen zur Selbstreflexion zu motivieren mit der Frage, ob eine Selbständigkeit für sie eine Karriereoption sein könne. Seinen Vortrag beendete Prof. Buschfeld mit der Botschaft: "Unternehmertum macht zufrieden und ist damit gut für den Menschen".
Im Anschluss an diese Impulsvorträge wurden die aufgestellten Hypothesen unter der Moderation von Patrick Neumann intensiv mit den Vertretern der Wissenschaft, Politik und Praxis im Publikum diskutiert.
Die Projektpublikation "Selbständigkeit im Handwerk - Potenziale, Herausforderungen, Lösungsansätze" steht hier zum Download zur Verfügung.
Ansprechpartner:
Dr. Markus Glasl
Tel: +49 89 51556082
E-Mail senden
Dr. Knut Heldt
Tel. 030-20619-401
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Ludwig-Fröhler-Institut (LFI) für Handwerkswissenschaften
Weitere Informationen auf der Homepage des Instituts: